Tausch- und Zeitwährungsinitiativen, das seit Jahren vom Talentetauschkreis Salzburg ausgerichtet wird. Dem Vernetzungstreffen am 22. März 2014 ging die Delegierten-Tagung der ARGE “Zartes Netz”-Mitglieder am 21. März voran, bei der die wichtigsten Themen für die Tagesordnung am Samstag herausgearbeitet wurden und Gernot Jochum-Müller aus Vorarlberg einen Überblick über europaweite aktuelle Entwicklungen der Regiogelder gab (Bericht hier anklicken ) und eine Neuerung des Talentetauschkreises Vorarlberg in Kooperation mit dem ÖAMTC vorstellte: “TALENTEmobil”. Unter dem Motto “Gemeinsam fahren macht Freu(n)de” unterstützt TALENTEmobil beim Mitnehmen und Mitfahren – spontan, geplant oder regelmäßig. Das Forschungsprojekt wurde 2013 gestartet und organisiert mithilfe der Vernetzungsplattform des Tauschkreises und moderner Informationstechnologie via Webpage TALENTEmobil.net und Handy-App das gemeinsame Nutzen von Autos und entwickelte dazu einfache Regeln. “Die gemeinsame Fahrzeugnutzung läuft als Pilotversuch in Vorarlberg und kann auf ganz Österreich ausgedehnt werden”, erklärt Gernot Jochum-Müller.
Bei der ARGE za:rt Delegiertentagung waren Fragen und Fortbildung zum Clearing zwischen den Tauschsystemen wichtige Themen.
Gemeinsam fahren schont die Umwelt und das Haushaltsbudget, schafft neue Freundschaften und hilft einem weiter. Alles Vorteile der “Sharing”-Idee, die bei TALENTEmobil mit einem einfachen und sicheren System umgesetzt werden. Das macht Angebote und Nachfragen sichtbar, vermittelt erprobte Regel bis hin zu Tipps, wie man richtig Autostoppt und sorgt für Sicherheit und Vertrauen. Die NutzerInnen werden über wichtige Rechtsfragen informiert und können an der Weiterentwicklung mitarbeiten. Aufkleber am Auto signalisieren, dass man mitmacht.
TALENTEmobil ist als nachbarschaftliche Hilfe, nicht als kommerzielles Projekt angelegt. Als Kostenersatz gilt als Richtwert eine Beteiligung an den Benzinkosten, die keinesfalls höher als das amtliche Kilometergeld von 42 Cent pro Kilometer betragen soll, was in Vorarlberg 4 Talente entspricht. “Wer regelmäßig Geld verlangen würde, müsste ein Taxigewerbe anmelden – dann gelten aber auch ganz andere Regeln als bei TALENTEmobil”, informiert die Begleitbroschüre, die über alle Details Auskunft gibt. Ob Mitnehmen für ein Danke oder für Talente – das steht den NutzerInnen frei. Das Mobilitätsservice TALENTEmobil läuft in Vorarlberg als Pilotversuch des Forschungsprojektes Give & Go, das ein innovatives Mobilitätsservice entwickelt und praktisch erprobt und die Kultur der gegenseitigen Hilfe im Mobilitätsbereich verankern will. Weitere Info auf www.talentemobil.net
Beim Delegierten-Treffen: Alois Tusch/Talentetauschkreis Kärnten und Gerhard Weinberger/ TK Niederösterreich und Tauschkreisverbund Ostösterreich. Gernot Jochum-Müller stellte die neue Talente-Zeitschrift vor, die in Vorarlberg verteilt wird. Tauschsystem-Treffen als Marktplatz: Testen und bestellen – das konnte man bei Gerhard Weinberger, der Produkte des TK Niederösterreich mitbrachte. Bild rechts: Tiroler und Salzburger Delegierte – Ekkhard Emde, Gabi Carl und Bernhard Wiesinger.
Was gibt es Neues aus Österreich?
Beim Delegiertentreffen bildete ein Überblick über die Trends der österreichischen Tausch- und Zeitwährungs-Szene den Ausgangspunkt für die Festlegung der Arbeitsschwerpunkte der ARGE za:rt (za:rt steht für Zusammenarbeit aller regionalen Transaktionssysteme). Eine einheitliche Dynamik lässt sich da nicht feststellen. Während etliche Systeme in den Mitgliederzahlen stabil sind und auf organisches Wachstum setzen, sind andere wie die Zeitbank “Wir gemeinsam” in Oberösterreich von größerem Zuwachs geprägt.
“Wir verzeichnen rund 1.800 Mitglieder, inklusive Kindern etwa 2.100 in 25 Regionalgruppen in Oberösterreich, Salzburg, Bayern und Niederösterreich”, teilte Christian Lanz von Wir gemeinsam mit und informierte darüber, dass nun auch das Wirtschaftsnetzwerk mit 40 Betrieben gestartet wurde sowie das Organisationsmodell der Soziokratie eingeführt wurde. Er gab Einblick in die Linzer Gruppe das Nachbarschaftsnetzwerkes mit 140 Mitgliedern. “Bei uns ist viel Alternativprogramm etwa in den Bereichen Musik und Tanz zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls angesagt. Der Warentausch ist im Hintergrund, vor allem geht es um Dienstleistungen.”
DenTauschkreisverbund Ostösterreich mit rund 1.400 Mitglieder nützen die rund 750 Mitglieder des Talentetauschkreises Niederösterreich, der mittlerweile die 15. Regionalgruppe eröffnet hat. Beim Tauschkreisverbund sind weiters LETS und Talente Wien sowie der Talentetauschkreis im Burgenland – sie nützen den gemeinsamen Marktplatz und die Zeitwertscheine, die gegen Guthaben am Tauschkreiskonto den Mitgliedern ausbezahlt werden.
Konstant sind die Mitgliederzahlen beim TK Kärnten mit rund 450 Konten ebenso wie beim TK Graz oder beim steirischen Regiogeld Styrrion in Graz und Umgebung. “Wir setzen auf organisches Wachstum und wollen nicht mehr als 150 Mitglieder”, teilte Fritz Keller vom TK Salzburg mit, der den TK Lungau integriert hat. Dass nicht alle Initiativen auf Dauer bestehen, zeigt sich am Beispiel des Neumarkter Tauschkreises, der sich wieder aufgelöst hat.
Zu Österreichs größten und erfolgreichsten Systemen zählt der Talente Tauschkreis Vorarlberg. Aus dem Talente-Tauschkreis ging mit der Allmenda Social Business eG (Info: www.allmenda.com) 2007 eine Genossenschaft hervor, die sich mit mehreren Ansätzen der Gemeinwohl- und Regionalentwicklung widmet: Als Träger des Tauschkreises und von Regionalwährungen österreichweit (Info Leistungsangebot hier) ebenso wie mit der Umsetzung von Bürgerfinanzierungsprojekten zur Errichtung von Photovoltaik-Anlagen und anderen Sharing-Projekten. Um Informationen möglichst breit in die Bevölkerung zu bringen, gab der Talente-Verein Vorarlberg im Herbst 2013 erstmals ein Magazin heraus, das landesweit verteilt und etwa in Arztpraxen und öffentlichen Einrichtungen aufgelegt wurde. Die einmal im Jahr erscheinende Publikation liefert interessante Hintergrundinfos, Erfahrungsberichte aus der “ZwEITgeld-Community” und beschäftigt sich mit Themen der Sharing-Economy.
Tauschen, teilen, schenken – eine neue Kooperationskultur…
Die Delegiertentagung beschäftigte sich einerseits mit der Erstellung der Tagesordnung fürs Netzwerktreffen aller Initiativen sowie mit technischen Details des überregionalen Clearings, also der überregionalen Verwendung der Tauschwährungen, wofür eigene Zeitgutscheine entwickelt wurden.
Die Tauschsysteme stehen im Spannungsfeld der Verrechnungskultur des bestehenden Wirtschaftssystems und der Entwicklung hin zu vertrauensbasierten Gemeinschaften, die keinen Anspruch auf Gegenleistung erheben und sich als Schenk-Ökonomie verstehen. Wie kann beides unter einen Hut gebracht werden? Die langjährige Praxis in Tauschkreisen zeigt, dass aus Verrechnungsgeschäften im Lauf der Zeit immer wieder Freundschaftsdienste werden. Nicht ins herkömmliche Tauschkreis-Konstrukt des gegenseitigen Kredites passen auch jene Zeitbanken, die ohne Minuskontostände starten und Zeit verschenken.
Lieber weg von den Zahlen mehr hin zur gegenseitigen Unterstützung, zum miteinander Tun – diesem Wunsch stehen allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit gegenüber. “Unsere Rechtsgrundlage erfordert eine Buchhaltung, die an das herkömmliche System gebunden ist. Tauschwährungen sind Geld, auch wenn es privat geschöpftes Geld ist. Der Rechtsrahmen ist sehr eng”, erläuterte Gernot Jochum-Müller die Ausgangslage. Die einzige Alternative aus rechtlicher Sicht sei der Naturaltausch.
Derzeit erfolgt die Buchhaltung bei den meisten Tauschsystemen in Österreich über die Verrechnungssoftware Cyclos, die auch für das überregionale Clearing der Tauschsysteme in Österreich, Deutschland und der Schweiz verwendet wird. Die Clearing-Regeln legen auch fest, bis zu welcher Höhe Tauschwährungen aus dem eigenen System in andere eingebracht werden können. Die Grenzen liegen bei 10 % des letztjährigen Umsatzes oder 20 % der geschöpften Menge. Um Tauschsysteme vergleichbar zu machen, entwickelte die ARGE zart ein Selbstbewertungs-Tool, das möglichst alle Organisationsformen der Tauschkreise abdecken soll und u.a. auch die Leistungsdeckung eines Systemes ermittelt.
Einerseits sollen die Komplementärwährungsinitiativen im bestehenden System erfass- und messbar sein, andererseits entwickeln sich in ihnen aber neue Ansätze des Wirtschaftens, die auch neue Indikatoren und Erfolgskriterien für die Bewertung erfordern. Wann ist ein System erfolgreich? Umsatzzahlen sind nur bedingt tauglich, Kontostände machen nicht Aktivitäten sichtbar. Wann sind Gemeinschaften nachhaltig? Wie werden Tauschgeschäfte mit Zeitwertscheinen berücksichtigt, die nicht mehr in der gegenseitigen Verrechnungssoftware auftauchen? Und auch bei Tauschsystemen können sich altbekannte Probleme des bestehenden Geldsystems zeigen: Wie geht man mit uneinbringlichen Altlasten um?
Der Erfolg der Systeme hängt maßgeblich an der Aktivität der Mitglieder und damit am Bewusstsein und der Bereitschaft aller, sich aktiv einzubringen. Das bedeutet Guthaben wie Schulden immer wieder abzubauen und damit die Tauschwährung in Bewegung zu halten. Ob als Motivation dazu eine “Reichensteuer”, also die Besteuerung von Guthaben dienen kann? In Vorarlberg reichte die Ankündigung, ab einer Obergrenze die Guthaben mit 10 % zu besteuern – seither ging keiner mehr darüber.
Wichtig ist auch, die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Tauschsystemen zu erkennen und sie als eine von vielen neuen Kooperationsformen zu begreifen, zu denen auch Initiativen wie Gemeinschaftsgärten und regionale Nahversorgung zählen. Entscheidend bei allen ist die Transparenz der Regeln und der gleichberechtigte Zugang für alle.
Eine neue Beitragsökonomie
Angesichts der vom Schuldgeldsystem weltweit verursachten und Wirtschafts-, Verteilungs- und Umweltprobleme befassen sich Menschen, die in Tauschsystemen aus diesem System aussteigen, auch mit grundlegenden Fragen des Wirtschaftens generell. Wie kommt wechselseitiger Austausch fair zustande? Kann das Geld von Schuld befreit werden? Entstehen da andere Formen der Verbindlichkeit und welche? “Tauschen ist ein Akt der Verbindlichkeit, Schenken ein Akt der Freiheit”, benennt es Fritz Keller vom TK Salzburg, was Gernot Jochum-Müller noch weiter differenziert: “Schenken heißt weggeben, man hat damit nichts mehr zu tun. Es gibt aber auch eine Beitragsökonomie.” Die unterschiedlichen Differenzierungsebenen müssten noch definiert und eine Sprache dafür gefunden werden.
ARGE za:rt und Vernetzungstreffen – die nächsten Termine
Die ARGE za:rt bietet jeden Sommer in Dornbirn in Vorarlberg eine Komplementärwährungs-Entwicklungswerkstatt an, heuer am 7. Juni 2014. Die nächste Deligiertentagung im Herbst steht am 18. Oktober 2014 in Niederösterreich am Programm. Das nächste österreichweite Vernetzungstreffen ist am 21. März 2015, die Delegiertentagung am Tag zuvor, 20. März 2015, der Ort wird noch festgelegt.
Fritz Keller (links) organisierte mit dem Talentetauschkreis Salzburg wieder das Vernetzungstreffen und begrüßte nach der Delegiertentagung abends im Namen der Salzburger Regiogeld-Initiative zum Vortrag von Gernot Jochum-Müller (Bild Mitte). Im Bild rechts die steirische Delegation. Weitere Bilder vom Delegiertentag sehen Sie hier…
Einen Bericht über den Vortrag von Gernot Jochum-Müller über aktuelle Entwicklungen bei Regionalwährungen in Österreich und Europa lesen Sie hier…