Plakat der Wörgler Stadtmarketing GmbH im Wörgler Bahnhof, grafisch gestaltet von Stefan Ringler. Grafik: Stefan Ringler/Stadtmagazin Juli 2021

Lebendige Erinnerung ans Freigeld

Ein neues Buch über Silvio Gesell und eine umfassende Chronik der Raiffeisen Bezirksbank Kufstein zum 125-Jahr Jubiläum inklusive Beitrag übers Wörgler Freigeld-Experiment 1932/33 – zwei Beispiele aus dem Jahr 2021, die mit historischen Daten und Fakten an jene Geld- und Bodenreform erinnern, die von Silvio Gesell vor über 100 Jahren angestoßen wurde und die auch heute noch von höchster gesellschaftlicher Relevanz ist.

Im November 2021 erschien das neue Buch „Silvio Gesell und … gesell dich dazu!“, verfasst von Joseph Spoden, der in Gesells Geburtsort St. Vith in Belgien zuhause ist.  Den pensionierten Grundschullehrer und Stadtführer begeisterte Silvio Gesell und seine Freiwirtschaftslehre nachhaltig, und so verfasste er das 160 Seiten umfassende, großformatige, bebilderte Buch über Leben und Werk des 1862 geborenen deutsch-argentinischen Kaufmannes und Ökonomen, erhältlich beim Autor zum Preis von 28 Euro zuzüglich Versandspesen. Bestellungen sind online unter https://silviogesell.be/ möglich.

Joseph Spoden ist es ein Anliegen, Silvio Gesell, sein Leben, seine Gedanken und deren Auswirkungen bis ins 21. Jahrhundert hinein in der Eifel und darüber hinaus bekannt zu machen. „Mit großer Wertschätzung, aber nicht unkritisch stellt Joseph Spoden Silvio Gesells Leben und Werk vor“, würdigt Gesell-Kenner Werner Onken Spodens Buch. Es entstehe „eine Panoramaaufnahme, auf der Silvio Gesells Werk eingerahmt wird von Informationen über seine Kindheit und  Jugend in St. Vith, über seine Familienangehörigen sowie die zeitgeschichtlichen Hintergründe seines weiteren Werdeganges, der mit seinen Gedanken über Reformen von Geldordnung und Bodenrecht der Menschheit zu sozialer Gerechtigkeit und Frieden verhelfen wollte… Joseph Spodens Zusammenstellung von erläuternden Texten, Originalzitaten, Fotos, Dokumenten und Grafiken ist eine unterhaltsame und abwechslungsreiche Einführung in Gesells Gedankenwelt“, schreibt Onken.

Raiffeisen Chronik zur 125 Jahr-Feier

Die Raiffeisen Bezirksbank Kufstein gab 2021 zum 125-Jahr-Jubiläum eine beachtenswerte Chronik heraus, die mit über  400 Fotos auf 260 Seiten die Entstehungsgeschichte der 15 Genossenschaften schildert, die heute in der Regionalbank vereint sind, und darüber hinaus einen Einblick in die Zeitgeschichte der Gemeinden liefert.

Auf historische Spurensuche begab sich als Chronist der ehemalige leitende Raiffeisen-Mitarbeiter Anton Scharnagl aus Wörgl. „Was einer nicht schafft, das vermögen viele“ – darin sah in einer Zeit großer Armut und wirtschaftlicher Not der Raiffeisengründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen im 19. Jahrhundert den Weg, die Lebensverhältnisse in gegenseitiger Selbsthilfe  zu verbessern. Nach dem Vorbild der ersten Spar- und Darlehenskassen wurde am 23. Febraur 1896 bei der konstituierenden Versammlung in der „Alten Post“ der Grundstein für die Wörgler Genossenschaft gelegt, die bis 1939 Wörgls einziges Geldinstitut blieb. Die Raiffeisenkasse war in die Abwicklung des Wörgler Freigeld-Experimentes eng eingebunden – einerseits durch die Verwaltung der Schilling-Deckung, andererseits als Wechselstelle.

Das Leben und Wirken, die Philosophie und Werte von Raiffeisen werden im Chronik-Band ebenso vorgestellt wie Entstehung der Raiffeisengenossenschaften in Österreich und im Speziellen die Entwicklung des Raiffeisenverbandes in Tirol bis hin zur Landesbank Tirol AG. Die Raiffeisen Bezirksbank übersiedelte 2016 von Wörgl nach Kufstein und weist 2021 eine Bilanzsumme von 1,4 Milliarden Euro und ein Kreditvolumen von 1,3 Milliarden Euro aus. 200 MitarbeiterInnen in 17 Geschäftsstellen betreuen 44.000 Kunden, davon 4.200 Geschäfts- und Firmenkunden. Die Genossenschaft zählt heute rund 12.000 Mitglieder.

Ein ausführlicher Beitrag beschäftigt sich mit Wörgler Stadtgeschichte inklusive dem Wörgler Freigeld-Experiment, bei dem die Raiffeisenkasse in den 1930er Jahren eine zentrale Rolle spielte, sowie mit der Entwicklung der Wörgler Raiffeisenbank. Einen Einblick in die umfangreiche Chronik 125 Jahre Raiffeisen Bezirksbank Kufstein gibt´s online unter: https://www.raiffeisen.at/tirol/kufstein/de/meine-bank/raiffeisen-bankengruppe/125-jahre-raiffeisen-bezirksbank-kufstein.html

Sichtbar in der Stadt…

Reisende werden seit Sommer 2021 im unterirdischen Bereich des Wörgler Bahnhofes auf Initiative der Wörgler Stadtmarketing GmbH mit Informationen zum Wörgler Freigeld empfangen. Die Ausgabe der Arbeitswertscheine im Rahmen des Wörgler Freigeld-Experimentes im Sommer 1932 zählt zu jenen geschichtlichen Daten, an die seit 2006 mit einem Meilenstein in der Wörgler Bahnhofstraße erinnert wird. Bürgermeister Michael Unterguggenberger und seinem Währungsexperiment ist auch der 1976 errichtete Gedenkstein in der Bahnhofstraße gegenüber vom Stadtamt gewidmet. Zu weiteren Orten, die mit dem Wörgler Freigeld in Verbindung stehen, führt ein Freigeld-Rundweg durchs Stadtgebiet, der 2007 auf Initiative der Lokalen Agenda 21 vom Tourismusverband eingerichtet wurde – dort sind auch die entsprechenden Rundwanderweg-Flyer erhältlich.

Regionalwirtschaft beleben: Mit Einkaufsgutscheinen und energy.card

Der 2006 in Wörgl eingeführte Einkaufs-Gutschein im Wert von 10 Euro gilt mittlerweile als Erfolgsgeschichte. 2021 wurden bis Ende Dezember rund 94.000 Gutscheine in den heimischen Betrieben eingelöst, wie die Stadtgemeinde mitteilt. Nutznießer sind die regionalen Unternehmen, lokale Händler und Gastronomen sowie Dienstleister. Erhältlich ist der Wörgl Gutschein im Bürgerbüro sowie im Büro der Stadtmarketing Wörgl GmbH.

Regionale Einkaufsgutscheine sind nicht nur in Wörgl ein Instrument, um Kaufkraft und Wertschöpfung zu binden. Das Unterguggenberger Institut erhob 2020 im Rahmen eines EU-Projektes gemeinsam mit dem Chiemgauer, welche Gutschein-Systeme und Regionalwährungen im Euregio-Gebiet im Einsatz sind – weitere Infos dazu auf https://unterguggenberger.org/regionalwirtschaft-vor-den-vorhang/

2012 wurde die multifunktionale digitale Wörgler energy.card eingeführt, die Einkaufen mit Leistungen der Stadtgemeinde für ihre Bevölkerung verbindet. Einerseits ist sie als Bürgercard  die Zutrittsberechtigung zum Wertstoffhof zur Entsorgung von Recyclingstoffen und Sonderabfall, andererseits kann sie zum Sammeln von Rabatt-Gutschriften bei Partnerbetrieben verwendet werden. Die digitale Karte ist somit in jedem Wörgler Haushalt mindestens einmal vorhanden und wird auch von der Bevölkerung im Umland beim Einkauf verwendet. 2019 wurde beispielsweise ein Umsatz von 345.000 Euro über die Energy.card rabattiert, was den energy.card-Benützern Preisnachlässe im Wert von 7.400 Euro einbrachte.

Die lokale Wertschöpfung im Jahr 2021 betrug 362.000 Euro – Tendenz steigend. Die Energy.card wird von 22.000 Kartenbesitzern genutzt, derzeit gewähren 21 heimische Partnerunternehmen damit auch Rabatte, die gesammelt und bei zukünftigen Einkäufen in diesen wieder eingelöst werden können. Immerhin waren das im vergangenen Jahr rund € 8.000,-. Weitere Info www.energycard.at