"Die Europa", abgebildet in der Zeitung „Le Fédériste“ 1933.

„Die Europa“ versus „der Euro“

1999 wurde der „Euro“ als Buchgeld und 2002 als Bargeld für die „Europäische Wirtschafts- und Währungsunion“ eingeführt, ist heute die offizielle Währung in 19 EU-Mitgliedsstaaten und wird zudem in weiteren sechs europäischen Ländern als Zahlungsmittel verwendet. Die Idee, eine gemeinsame Währung zu verwenden, ist allerdings viel älter. So schlugen bereits 1926 die Föderalisten in Frankreich vor, „Die Europa“ als zinslose, Warenkorb-gedeckte Währung über Staatsgrenzen hinweg zu verwenden.

Die Grundlage für den Föderalismus als modernes staatsrechtliches Prinzip wurde schon während der Zeit der Aufklärung durch Montesquieu und Proudhon gelegt. „Die Europa“ war als Münze mit einer Deckung durch reale Wirtschaftswerte konzipiert und zeigte auf einer Seite Louis Pasteur und auf der anderen Seite eine Karte von Europa mit der Aufschrift „ETATS FEDERES D´EUROPE *1928*“ (übersetzt „Vereinigte Staaten von Europa“).

Das Konzept der Münze „Die Europa“ lernte der belgische Finanzexperte, Gelehrte und Buchautor Bernard Lietaer 1999 im Wörgler Heimatmuseum kennen. Lietaer war Teilnehmer der „Money & Business & Parntership-Konferenz“, organsiert von Peter Koenig aus Zürich von 24. -27. März in Alpbach und traf dort erstmals mit Prof. Margrit und Declan Kennedy zusammen. Auf der Open-Space-Tagung informierten Jutta Seethaler und Veronika Spielbichler aus Wörgl detailliert übers Wörgler Freigeld-Experiment, worauf kurzerhand ein Ausflug ins Heimatmuseum in Wörgl unternommen wurde. In den Archivmaterialien der Familie Unterguggenberger stieß Lietaer, als belgischer Zentralbanker Mitinitiator des ECU, auf „die Europa“, die als Währungsmodell in den 1930er Jahren für den europäischen Binnenhandel beworben wurde. „Die Europa“ bot als Alternative zur Goldbindung erstmals eine Warenkorbdeckung. In Anlehnung an „die Europa“ konzipierte Lietaer sein Weltwährungskonzept der „Terra“, nachzulesen im Buch „Das Geld der Zukunft“.

"Die Europa", abgebildet in der Zeitung „Le Fédériste“ 1933.
“Die Europa”, abgebildet in der Zeitung „Le Fédériste“ 1933.

„L’Europa – monnaie de la paix“ – zu deutsch „Die Europa – das Geld des Friedens“ unter diesem Titel erschien am 1. Jänner 1933 in der französischen Zeitung „Le Fédériste“ folgender Bericht, dessen Übersetzung aus den in den 1930er Jahren vom damaligen Bürgermeister Michael Unterguggenberger gesammelten Presseberichten stammt:

„L’Europa/die Europa – das Geld des Friedens“

Das Geldproblem ist an der Tagesordnung in Ansehung der ernsten Ereignisse, die in letzter Zeit vorgekommen sind. Das Abgehen der meisten Staaten vom Goldtalon kann unberechenbare Folgen nach sich ziehen.

In den meisten Staaten wird die Goldwährung nicht mehr als Basis angenommen; man kann daher die Frage aufwerfen: auf welcher Basis beruht nun das Geld? Fußt es nun auf dem politischen Wert des Regimes, d.h. dass es funktioniert je nach dem Maße des Vertrauens, das diesem Regime entgegengebracht wird? Nun, dieses Vertrauen ist sehr schwach, denn alle Regierungen sind bankrott vor den Ereignissen, und logischerweise ist das Geld, das selbe in den Verkehr bringen, auch bankrott.

Die Föderisten sind dem zuvorgekommen, als sie im Jahre 1926 das Problem einer neuen Geldsorte aufwarfen. Heute wird diese Frage von aller Welt besprochen. Alle Welt erkennt an, dass man etwas anderes benötigt als das Gold um die Erzeugnisse und den Welthandel zu finanzieren.

Eine Werteinheit

Kehren wir nun zur Logik zurück. In der allgemeinen Wirtschaftslage ist es nötig, eine Werteinheit zu bestimmen, um den Werten einen Maßstab anlegen zu können. Diese Werteinheit sollte bestimmt werden nach den Bedarfseinheiten.

Die „Europa“ stellt nicht einmal 30 hunderstel Geld dar, wie der alte Franc (oder Poincaré Franc stellt nur 6 Hundertstel Gramm dar), sondern ein ganzes des Arbeitsproduktes.

Die Europa wird definiert (bestimmt) durch die Summe von:

30 Hundertstel Gold

2 Kilogramm Getreide

200 Gramm Fleisch

1 Liter Wein

3 Kilogramm Stahl

200 Gramm Baumwolle

200 Gramm Kupfer

1 Kilometertonne

10 Kilowattstunden

eine halbe Arbeitsstunde

Das Verhältnis jeder Ware wird festgesetzt nach den Kursen der gegenwärtigen Martkberichte, so dass die Werteinheit, das ist die Währung, die als Maßstab für alle Werte dienen soll, nicht mehr durch das von der Finanzwelt angehäufte Gold bestimmt wird, sondern durch die Erträgnisse der Arbeit selbst, das ist nach der Einheit der Bedürfnisse.

Die Garantie der Münzen

Nach den Begriffen selbst des Geldes „Europa“ ersieht man, dass dieses Geld nicht nur durch die Geldvorräte garantiert werden kann, sondern durch alle Warenvorräte der Welt, d.h. durch alle Arbeitserträgnisse selbst und es würde genügen, zu den fünf Milliarden Gold, die in den Kellern der Bank von Frankreich liegen, noch 2 Milliarden Getreide, 3 Milliarden Fleisch, 3 Milliarden Wein, zwei Milliarden Kupfer u.s.w. anzufügen, und so würde man eine hundertprozentige Garantie für dieses Geld erhalten.

Wenn z.B. die wirtschaftlichen Bedürfnisse einen Notenumlauf von 25 Milliarden erfordern würden, so würde es genügen, wenn die Gesamtheit der Waren der Bank dem Betrage von 25 Milliarden gleichkommen würde.

Wie kann man sich diese Warenanhäufung vorstellen? Ganz einfach durch Bescheinigungen der Waren und diese Warenbescheinigungen würden bei den Goldbeständen der Bank von Frankreich hinterlegt werden.

Der Erzeuger, welcher Getreide in seinem Speicher aufgestapelt hat, ist gegenwärtig genötigt, über das Gold zu gehen, um seinen Tauschhandel zu vollziehen. Dieser Produzent geht nun einfach zur Bank und übergibt derselben den Warenschein über sein Getreide und erhält dafür Banknoten, die den Wert des Getreides darstellen.

Diesem neuen Gelde wird hundertprozentiger Warenwert garantiert und auf diese Weise wird es über dem Dollar stehen.

Die Pfandbürgschaft solchen Geldes kann ebenso leicht als das Gold der Bank von Frankreich kontrolliert werden. Die Pachtviehbestände in unseren Wiesengeländen, das Getreide in den Speichern, die Baumwolle, das Kupfer in unseren Fabriksbetrieben sind viel sichtbarer als diese Goldbarren, von welchen das Publikum nur dann sprechen hört, wenn sie aus den Kellern der Bank von Frankreich, von Amerika oder England fortgeschafft werden.

Das zinslose Geldverleihen

Demjenigen, der sein Gold zur Bank von Frankreich bringt und als Ersatz Banknoten dafür empfängt, wird kein Zins verlangt. Die Logik wäre für das Umgekehrte. Demjenigen nun, der sein Getreide, seinen Wein, seine Waren hinbringt, wie das Geld Münzgarantie besitzen, wäre es auch nicht logisch, Zinsen zu verlangen. So würde also die Prophezeiung von Proudhon, der ankündigte dass eines Tages der Kredit unentgeltlich gewährt werden könne, verwirklicht werden.

Heute muss derjenige, der einen Getreidevorrat, einen Viehstand auf seinen Besitzungen hat, 6,7 Prozent für Banknoten zahlen … wenngleich seine Ware höher bewertet ist als die Geldnoten.

Die „Europa“ – ein Geld von wertbeständiger Kaufkraft

Von dem Augenblick an, wo das Geld „Europa“ Warenwert darstellen wird, wird es eine wertbeständige Kaufkraft für diese gleiche Ware besitzen, d.h. die Schwankungen im Verhältnis zu diesem Gelde unbedeutend sein werden.

Anstatt der Schwankungen vom einfachen bis zum dreifachen wie beim Golde, werden dieselben z.B. infolge einer schlechten Ernte oder einer Überproduktion nur einige Hundertstel betragen. Diese Schwankungen werden aber noch viel geringer erscheinen, wenn dieses Geld nicht nur für Frankreich dienlich ist, sondern für ganz Europa, und infolgedessen auch für die ganze Welt, denn die landwirtschaftlichen Kalamitäten finden immer länder- oder gebietsweise statt.

Es ist übrigens möglich, zu einer beinahe absoluten Wertbeständigkeit der Kaufkraft zu gelangen – durch die Gründung von Zeitkaufsmärkten für die Waren, so wie dies gegenwärtig im Verhältnis zum Golde angewendet wird. Nachdem nun die Terminwaren fantastischen Schwankungen durch den Umstand des Vertrauensmangels zu der Politik der Papiergeldfürsten unterworfen sind, werden diese Schwankungen winzig sein gegenüber einem Gelde, das die ökonomischen Entwicklungen genau verfolgen wird und welches Geld noch dazu unabhängig von den politischen Irrungen sein wird.

Um zu zeigen, dass dieses Geld der Volkswirtschaft folgen wird, geben wir das Beispiel einer Ernte von Bedeutung. Mit dieser werden die Bedürfnisse bei den Landwirten größer sein. Die Produzenten werden mehr Warenbescheinigungen hinterlegen und so wird sich der Garantiestand der Bank von Frankreich erhöhen und man wird die Möglichkeit haben, mehr Papiergeld in Umlauf zu bringen – und zwar unter Beibehaltung der 100 prozentigen Garantie.

Diese Unmöglichkeit des Hervorrufens einer Inflation, d.h. mehr Papiergeld zu erzeugen als reelle Garantie hiefür vorhanden ist, bewirkt, dass den Regierungen die Möglichkeit genommen ist, ihre Kriegskassen zu füttern und dies sogar schon ein einer Zeit, wo das Geld „Europa“ noch nicht in allen Staaten verallgemeinert sein wird. Dies rechtfertigt umso mehr noch die Bezeichnung dieses Geldes als Friedensgeld.

Die Münze Europa als allgemeine Weltmünze

Es versteht sich wohl von selbst, dass, nachdem dieses Geld als kurrante Münze eingeführt sein wird, der Handel nicht mehr in Gold vollzogen werden wird, da im ganzen genommen das Gold eine viel zu elastische Währung besitzt und, durch diesen Umstand, auch den Spekulanten keine Sicherheit mehr bietet. Die Geschäfte und der Handel werden in Münze „Europa“ getätigt werden, die eine dauernde Kaufkraft behält.

Es ist daher den Bundesstaaten Europas die Möglichkeit gegeben, die ganze Welt zur Annahme ihres Geldsystems zu veranlassen und so wird dieses Geld zum Frieden beitragen können.

Dieses Geld besitzt nicht die fehlerhaften Eigenschaften des Dollars, der, wie schon betont ein politisches Geld, daher ein wertunbeständiges Geld ist. Nun im gegenwärtigen Aufschwunge der internationalen Beziehungen wird sich der Handel mehr noch mit diesem neuen Gelde, das eine wertbeständige Kaufkraft beibehält, vollziehen. Die Beseitigung der alten Geldsorten wird automatisch vor sich gehen, und so wird die Welt nur mehr eine Einheitsmünze besitzen und somit wird es auch keine Geldkriege mehr geben, und auf diese Weise wird unter den Völkern der Friede herrschen.

Beitrag über "Die Europa" in der Zeitung „Le Fédériste“ 1933.
Beitrag über “Die Europa” in der Zeitung „Le Fédériste“ 1933.