Bereits vor der 15 Jahre Chiemgauer- Jubiläumsfeier am Nachmittag versammelten sich am 3. März 2018 vormittags in der Freien Waldorfschule in Prien Regionalwährungs-Interessierte zum Vernetzungstreffen des Regiogeld-Verbandes, darunter Vertreter von aktiven Regiogeld-Initiativen in Luxemburg, Deutschland und Österreich.
Das Netzwerk des Fachverbandes Regiogeld bilden Gruppen und Förderer, die die gemeinsam definierten Werte und Qualitätsprinzipien umsetzen möchten, nachzulesen auf https://regionetzwerk.blogspot.co.at/ Welche Initiativen aktuell dazugehören, zeigt eine Karte des Fachverbandes Regiogeld auf https://regionetzwerk.blogspot.co.at/p/karte.html
„In der Hochphase waren im Netzwerk bis zu 60 Gruppen aktiv. Viele dieser Initiativen gibt es nicht mehr“, registriert Frank Jansky vom Regiogeld-Verband die Schrumpfung der Aktiven und kennt anhand von Beispielen auch die Gründe: mangelnde Akzeptanz, der Aufwand laufender Verwaltungsarbeit, personelle und materielle Reserven sind rasch aufgezehrt. Vor allem viele Euro-gedeckte Regio-Gelder warfen das Handtuch. Das Konzept der Einwechselung von Euro in Regiogeld stellte sich auch als Hürde heraus, besonders in Gegenden, in denen auch der Euro knapp ist.
„Die gegenwärtigen Regionalgelder sind entweder mit Euro hinterlegt, basieren auf Zusagen von Unternehmen als Einlösegaranten einzustehen (Leistungsgeld) oder stellen Mischformen zwischen Euro Hinterlegung und Garantiezusagen von Unternehmen dar. Der Regio kann als Zahlungsmittel in der Form von Papiergeld, Giralgeld oder Kartengeld vorkommen“, erklärt Jansky und sieht Chancen für Komplementärgeld, das er lieber als „Netzwerkgeld“ bezeichnet, vor allem als leistungsgedeckte Gemeinschaftsgelder in strukturschwachen, sogenannten abgehängten Regionen.
Neulandgewinner sehen Chancen in ihrer Region
„Die Robert Bosch-Stiftung übernimmt Projektfinanzierungen in abgehängten Regionen. Seit 6 Jahren werden rund 700 Projekte im Osten der BRD unterstützt – da geht es um die Revitalisierung alter Klöster, von Bahnhöfen, Kühlhäusern bis hin zu ganzen Dörfern, vielfach geht es um Grundversorgung, wie damals in Wörgl“, schildert Jansky den Aufbruch im Osten, der vielfach von jungen Leuten getragen wird. Dafür eignet sich leistungsgedecktes Geld wie die WÄRA, die Vorbild fürs Wörgler Freigeld war. 1929 wurde die WÄRA-Tauschgesellschaft in Erfurt gegründet, an der sich bis zum Verbot der WÄRA auf Betreiben der Reichsbank 1931 über 1.000 Unternehmer beteiligten. „Im Osten Deutschlands gibt es keine Euro-gedeckten Regiogelder mehr – das sind alles wechselseitige Kreditmodelle“, so Jansky, der in der Projektfinanzierung Einsatzgebiete für Netzwerkgeld vermehrt auch im Westen Deutschlands sieht – auch hier gibt es Abwanderungs-Regionen, in denen die „wirtschaftliche Verwüstung“ droht. Infos über Neulandgewinner gibt´s auf http://www.neulandgewinner.de/ sowie bei der Robert Bosch-Stiftung auf http://www.bosch-stiftung.de/de/projekt/neulandgewinner-zukunft-erfinden-vor-ort
Weniger Verrechnung – mehr Vertrauen
Einen Wandel registriert auch Rolf Schilling vom Talente Tauschkreis Vorarlberg: „Die Mitgliederzahl sank in den vergangenen zwei Jahren um 10 %, der Umsatz ging um 25 % zurück. Was oberflächlich nach einem Rückgang aussieht, zeigt bei genauem Hinsehen einen Wandel: Viele Transaktionen finden heute ohne Verrechnung statt, die Qualität im System ist deutlich gestiegen.“ Aufs Verrechnen wird verzichtet, wenn durch das System Vertrauen in der Gemeinschaft aufgebaut wurde.
Als vertrauensbildende Gemeinschaftswährung auf Bundeslandebene zirkuliert in Vorarlberg der Euro-gedeckte VTaler als Regiogeld, mit dem KundInnen bei über 180 Betrieben einen Einkaufsvorteil genießen. Wer VTaler bestellt, erhält beim Abo 3 % Rabatt. Mit Ende 2017 waren kontinuierlich VTaler im Wert von 150.000 Euro in Umlauf. Durch regionale Wertschöpfung will man Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten sichern sowie Angebotsvielfalt in die Ortschaften zurückbringen. Kurze Transportwege sind klimafreundlich. Träger der Regionalwährung ist die Allmenda Social Business eG (Info www.allmenda.com) mit Sitz in Dornbirn, die als Dienstleister auch Regionalwährungs-Initiativen in anderen Bundesländern betreut. Zu den Geschäftsfeldern der sozialen Genossenschaft zählen weiters E-Mobilitäts-Angebote, die gemeinschaftliche Finanzierung von Photovoltaik-Anlagen sowie Projekte wie Change Lab, „Imkerei jetzt“ oder das „´s Fachl“ als Verkaufsort für kleine Produzenten.
Rückläufig sind die Umsätze beim Dreiländer-Clearing der beteiligten Tauschsysteme in Österreich, Deutschland und der Schweiz unter dem Dach von za:rt. Die Schweiz ist de facto aus dem System ausgeschieden und „mit sich selbst beschäftigt“. Im Herbst 2017 wurde erfolgreich und ohne Schaden für die Gemeinschaft das Tauschsystem Oberallgäu aufgelöst und abgewickelt. Das za:rt-Clearing fungiert als „Börse“ für Tauschsysteme und regelt den überregionalen Austausch.
Blockchain ist noch nicht angekommen
Bei den praktizierenden Regionalwährungs-Intiativen ist das Thema Blockchain und Kryptowährung noch nicht angekommen, als Verrechungs-Software wird derzeit hauptsächlich Cyclos verwendet. Beim Vernetzungstreffen brachte ein Münchner IT-Konsulter den Vorschlag ein, einen Regio Coin zu schaffen.
Das Plenum erarbeitete gemeinsam Themen für Arbeitskreise, die sich mit bargeldlosem Zahlungsverkehr ebenso beschäftigten wie mit Fragestellungen zum Thema Quelle der Veränderung und Netzwerkgeld in Verbindung mit Projektfinanzierungen. Basis für die Weiterarbeit und Weiterentwicklung stellen die UN-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 dar.
Herausforderungen der Zukunft mit neuen Solidarformen meistern
Details der praktischen Umsetzung bewegen die Regiogeld-AktivistInnen ebenso wie gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. „Unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt“, stellte Hanjo Achatzi vom Chiemgauer fest. „Wir gehen in eine bewegte Zeit, in der vieles nicht planbar ist und auch Angst macht.“ Zu den Herausforderungen zählt, von Misstrauen und Angst zu einer Vertrauenskultur zu kommen. „Das ist ein lebendiger Prozess, bei dem wir voneinander lernen. In Europa gibt es ganz unterschiedliche Regionen. Und es gibt Bereiche, die alle leistungsgedeckt regional organisiert werden können – das sind Grundbedürfnisse wie Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit, Wohnen, Mobiliät oder Bildung. Aus neuem Denken neue Solidarformen entwickeln, die sich mit der Frage beschäftigen, wie wir in Zukunft leben wollen.“ Die Herausforderung sei, nicht zu warten, bis die Not kommt, sondern die „Gnade der Komfortzone“ für den notwendigen Wandel zu nützen.
Vernetzung über Staatsgrenzen hinweg
Zum Vernetzungstreffen am Chiemsee nahmen Regiogeld-Akteure auch weite Anreisen in Kauf. Max Hilbert vom Beki in Luxemburg, der 2013 gegründet wurde. Mittlerweile sind über 500.000 Beki eingetauscht (Info http://www.beki.lu/). Oder Walter Grambusch aus Koblenz von der RegioMark RheinMosel (http://www.regiovereinkoblenz.de/) mit 93 Akzeptanzstellen in Koblenz.
An gemeinsamen Themen weitergearbeitet und wird auch wieder bei den nächsten Vernetzungstreffen des Regiogeld Fachverbandes, die bereits vereinbart sind: am 16. Juni 2018 in Luxemburg und 2019 in Pfaffenhofen im Rahmen des 15-Jahr-Jubiläums des Hallertauers.