Globale Veränderungen lokal bewirken – wie kann das in unserer komplexen Welt gelingen, in der täglich die Schlagzeilen über Katastrophen aller Art – von der Finanzkrise bis zu Klimawandel-bedingten Naturkatastrophen, Kriegen und Konflikten dem einzelnen Menschen Ohnmacht signalisieren? Welche Motivation bewegt Menschen überhaupt, nicht nur zum Eigennutz, sondern auch fürs Gemeinwohl und damit für eine Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen aktiv zu werden?
Als vernunftbegabtes Wesen weiß der Mensch ja längst, dass es so nicht weitergeht. “Nachhaltigkeit ist eine Botschaft des Kopfes. Mit Vernunft allein ist der Mensch dafür aber nicht zu gewinnen”, stellte zu Beginn der 6. Konferenz Zivilgesellschaft nach der Begrüßung durch Gaby Pekny vom Ökobüro (links im Bild) der Berater Dr. Harald Hutterer (Bild Mitte – Info www.heartsopen.com) fest und meinte, dass Glücklichsein die Form von Belohnung ist, die zum Handeln anregt. Subjektiv empfundes Glück brauche Begeisterung, und “erst Gefühle verleihen Ereignissen Bedeutung”. Mut machen und Begeisterung für den Wandel entfachen – dafür lieferte Dr. Hutterer ein mitreißendes Beispiel mit dem weltumspannend produzierten Song “Stand by me” (hier ansehen) des Projektes “Playing for change – peace through music” (www.playingforchange.com)
Die Konferenz erörterte dann, welche Möglichkeiten zur Veränderung und aktiven Gestaltung abseits der Parteipolitik für die Zivilgesellschaft bestehen. Der Zugang zu Information und Wissen spielt dabei eine ebenso große Rolle wie die Vernetzung der Akteure. Als Angebot dazu auf europäischer Ebene stellte Horst Grützke das Europäische Bürgernetzwerk Europa jetzt! vor (Info: http://www.europa-jetzt.org/) “Die EU ist derzeit eine internationale Organisation, die ausschließlich wirtschaftliche Interessen bedient. Es fehlt ein Europa der Bürger”, begründete Horst Grützke, der 1997 zu den Gründern des Europäischen Bürgernetzwerkes zählte, die Initiative, die durch neue Formen partizipativer Demokratie die Gesellschaft weiterbringen will. Die bestehende repräsentative Demokratie soll durch eine weitere Ebene ergänzt werden, in der die BügerInnen als Kontrollmechanismus mitwirken. Grützke: “Das Bürgernetzwerk soll eine Denkfabrik sein. Ziel wäre es, eine europäische Bürgerakademie zu begründen.” BürgerInnen sollten sich überall dort zu Wort melden, wo sie durch politische Entscheidungen betroffen sind. Dazu brauche es neue Methoden und Instrumente.
In zahlreichen Workshops wurden dann Fragen der Bürgerbeteiligung, der Umgang mit den physischen Grenzen der Erde und Rahmenbedingungen für ein solidarisches Wirtschaften genauso behandelt wie Prozessfragen und praktische nächste Schritte. Als Moderationsteam (Bild rechts) organisierten Martina Schubert vom Forum zur Förderung der Selbständigkeit (www.fofos.at) und Gaby Pekny vom Ökobüro (www.oekobuero.at) effizientes Arbeiten für die rund 70 TeilnehmerInnen, wobei sie mit einem “Speed-Dating” das Kennenlernen aller TeilnehmerInnen ermöglichten.
Wolfgang Pekny von der Plattform Footprint (Bild Mitte – Info: www.footprint.at) ging in seinem Workshop auf die globalen Herausforderungen eines Neuen Europa ein: Wir haben als Wachtumsgesellschaft recht gut gelebt auf Kosten der armen Hälfte der Welt, auf Kosten der Natur und der Zukunft. In einer absolut begrenzten Welt werde nun fair teilen globale Notwendigkeit: “Der Aufbau einer partizipativen, zukunftsfähigen Gesellschaft könnte von einem globalsolidarischen Europa ausgehen.”
“Die Absicherung regionaler wirtschaftlicher und sozialer Strukturen, mehr Sinn für das Gemeinwohl und bessere, dialogische Prozesse wurden in allen Beiträgen als Säulen einer demokratischen, solidarischen und ökologisch stabilen Gesellschaft eingefordert und über Fortschritte dabei berichtet. Im Besonderen wurden flächendeckende Komplementärwährungen als ein wesentliches Werkzeug zur Selbstermächtigung der BürgerInnen und zur Stärkung der Subsidiarität und damit wirtschaftlicher Unabhängigkeit erkannt,” heißt es in der Presseerklärung der Initiative Zivilgesellschaft zur Konferenz. “Nach Jahren der Analyse spielen Fragen des „WIE“ zur Umsetzung von Maßnahmen eine zunehmend bedeutende Rolle im Diskurs der Zivilgesellschaft. Das bedingungslose Grundeinkommen wurde als Win-Win Situation für Bürger und Gesellschaft vorgestellt, der Ökologische Fußabdruck als ideales Maß zum Messen und Steuern des Ressourcenverbrauches bestätigt und Prozesse wie die Soziokratie und die dreistufige Volksgesetzgebung als taugliche Methoden zur Verfeinerung der Demokratie vorgestellt und weiter vertieft.
Die “andere” Weltbank: Anton Winter von der Initiative Nouvelle Alliance (Bild Mitte rechts – Info: http://nouvellealliance.de/) und Josefa Maurer, die im Herbst 2009 wieder mit den “Geldfrühstücken” in Wien startet, betreuten das Kunstprojekt: “Wir nehmen altes Geld ein und garantieren, dass damit Projekte für eine zukunftsfähige Gesellschaft umgesetzt werden”, so Anton Winter. Wer Euros gibt, erhält dafür ein Zertifikat, das am “Bankschalter” ausgestellt wird und bestätigt, dass dem Einzahler die Zukunft am Herzen liegt. So überreichte die “Weltbank” die ersten zehn Euro auch gleich dem Kassier der Initiative Zivilgesellschaft Daniel Hackenberg (Foto rechts).
In seinem Plenumsbeitrag “Zeit der Hoffnung – Kreativität und Innovation in Europa” forderte Anton Winter (Bild links) weiters auf, ein “Rettungspaket der Zivilgesellschaft” mit Beiträgen zur Gestaltung der lebensfreundlichen Alternative zu schnüren, mit Vorschlägen zu befüllen und an die Politik zu übersenden. Mit dem Befüllen der Box wurde sofort begonnen. Anton Winter regte zudem den Aufbau einer europäischen Bürgerakademie – der ECU “European Citizen University” in Form einer vernetzten interaktiven Arbeitsplattform an.
Die 1999 gegründete IG Eurovision (Intiativ-Gesellschaft zur Förderung der europäischen Integration durch neue Ideen und demokratische Projekte – Info http://www.ig-eurovision.net/) präsentierte bei der Konferenz Zivilgesellschaft den bereits 1978 veröffentlichten Aufruf zur Alternative von Joseph Beuys und fordert die “Demokratisierung der EU jetzt” durch dreistufige Volksgesetzgebung – im Bild oben v.l.: Ines Kanka und Amira, Gerhard Schuster, Josef Zeisel, Martin Koch und Tassilo Seidl-Zellbruck.
Für gutes “Feeling” bei der Konferenz sorgte einerseits der Ort – die Gartenbauschule der Stadt Wien in Kagran – sowie mit köstlichem rein pflanzlichem Essen vom Frühstück bis zum Abendessen das Koch-Duo Stefan und Kurt von der Veganen Gesellschaft Österreichs (Bild Mitte – www.vegan.at), deren Büro ebenso wie der “Verein gegen Tierfabriken” und weiterer vier Organisationen ins Visier der österreichischen Ermittlungsbehörden geriet. Martin Balluch (rechts) berichtete über die aktuelle Entwicklung im staatlichen repressiven Vorgehen gegen die TierschützerInnen – hier der Filmbeitrag dazu von Ernst Gruber. Was es mit dem § 278 a StGB auf sich hat, kann man u.a. unter www.278.at nachlesen.
Als aktivistischer Höhepunkt präsentierte Joe Ofenböck (Projekt Offene Gesellschaft) ein 26 Meter langes und 70 Zentimeter breites Manifest, eng beschrieben mit vielen alternativen Ideen und Konzepten für eine lebensfreundliche Welt, die längst bekannt sind und auf ihre Umsetzung warten. Die Vorschläge der 26-Meter Rolle als pdf-Dokument gibt´s hier.
Die 26 Meter lange Rolle wurde gemeinsam aufgerollt. Unter den AutorInnen war auch Marianna Schallhas (rechts).
Das Unterguggenberger Institut Wörgl (www.unterguggenberger.org) beteiligte sich an der 6. Konferenz Zivilgesellschaft mit der Plakatausstellung neuesGELD.com, mit einem Kurzreferat von Veronika Spielbichler über die laufende Petition Neues Geld, das Leitbild Neues sowie die Konferenz Neues Geld, die von 23. bis 25. Oktober 2009 in Wörgl stattfinden wird (weitere Info: www.neuesgeld.com). Rudo Grandits (links) ging im Workshop Komplementärwährungs-Design auf die Möglichkeiten ein, die ergänzende Zahlungs- und Verrechnungssysteme im Rahmen der Regionalentwicklung bieten und stellte unterschiedliche Komplementärwährungen vor. Gemeinschaftsbildende Nebenwährungen sind im Rahmen von Beteiligungsprozessen BürgerInnen-Selbsthilfe und bringen mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit. Vor allem in der Grundversorgung mit Lebensmitteln, Energie und Betreuungsdiensten wirken sie sichernd und stabilisieren die Regionalwirtschaft.
Zur Tagesordnung der Konferenzen der Initiative Zivilgesellschaft zählen neben Beiträgen der teilnehmenden Organisationen auch von jenen eingebrachte Anträge um Unterstützung durch andere Mitglieder der IZ. Am 6. Juni unterstützte die Initiative Zivilgesellschaft zwei Anträge:
Einerseits die von Martina Schubert (links) vorgestellten “10 Forderungen für eine kindgerechte Bildung” des Förderpädagogischen Zentrums für Kinder und Jugendliche (siehe: www.fpzentrum.at) und zum Anderen die Initiative “Neue soziale Architektur”, mit der Ideen für die Finanzen, die Wirtschaft, den Staat und die Kultur ins Spiel gebracht werden, die schon vor 30 Jahren im Aufruf zur Alternative von Joseph Beuys ihren Ausdruck gefunden haben und heute aktueller sind denn je – siehe www.impuls21.net/neue-soziale-architektur.
Damit die Anliegen der Initiative Zivilgesellschaft auch in der Öffentlichkeit und medial wahrgenommen werden, waren auf der Konferenz Josef Kreitmayer (Bild Mitte) und der Internet-TV-Macher Ernst Gruber (www.egn.at) unterwegs. Filmbeiträge der beiden sowie weitere Infos über alle Beiträge der 6. Konferenz Zivilgesellschaft gibt´s auf www.initiative-zivilgesellschaft.at
Bilder von der Konferenz gibt´s zudem hier in der Galerie.