Abschluss des Interreg-Kleinprojektes Gemeinsam grenzüberschreitend Geld und Gesellschaft gestalten. Foto: Unterguggenberger Institut/Veronika Spielbichler

Geld gestalten – zum Wohl der Menschen und Regionen

Wörgl. Wie können neue Währungssysteme unsere Region resilienter bei Krisen machen? Mit dieser und weiteren Fragen betreffend die Einsatzmöglichkeiten von Komplementärwährungen, also zusätzlich zum Euro verwendete Zahlungsmittel, befasst sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Partner aus Wörgl und dem Chiemgau beim Interreg-Kleinprojekt  „Gemeinsam grenzüberschreitend Geld & Gesellschaft gestalten“ von September 2019 bis Juli 2020. Die Ergebnisse wurden am 25. Juni 2020 in Wörgl öffentlich vorgestellt.

Die grenzüberschreitende Thema Regionalwirtschaft und damit auch Regional- und Komplementärwährungen erhält durch die Corona-Krise Aufwind.  Wie funktionieren lokale, regionale und neue internetbasierte Währungssysteme als Ergänzung zum Euro  und welche Chancen für die regionale Entwicklung stecken in ihnen? Worin besteht der soziale Mehrwert? Und kann damit ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden?

Woran wurde gearbeitet?

Das Unterguggenberger Institut in Wörgl, die REGIOS-Genossenschaft als Träger der Regionalwährung „Der Chiemgauer“, die Stadtgemeinde Wörgl und der Verein komm!unity starteten 2019 gemeinsam das vom EU-Interreg-Progamm Österreich – Bayern geförderte Projekt. Dabei wurde unter die Lupe genommen, wie schon erprobte Komplementärwährungen wie das Wörgler Freigeld damals, „Der Chiemgauer“ oder das Wörgler Jugendprojekt I-Motion heute für eine nachhaltige (Regional)Entwicklung eingesetzt werden können. Erhoben wurde auch, welche Regionalwährungen und Gutscheinsysteme in der Euregio-Region bereits existieren. Eine Onlineplattform www.kommunity.me/geldgesellschaftgestalten informiert nun über 17 aktuelle Transaktionssysteme (wie Gutscheinsysteme, regionale Währungen, Regionalgeld etc.) in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel sowie in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein.

Gemeinsam „weiter“ denken

Im Fokus der Zusammenarbeit stand das Aufzeigen von Alternativen zum klassischen Euro, die demokratische Mitgestaltung von Währungen und vor allem auch die Frage, wie gezielt Wissen gebündelt und vermittelt werden kann. Das historische Wörgler Freigeld hat noch heute weltweit Leuchtturm-Charakter, weshalb sich Wörgl als Standort für ein Zentrum für Währungsdesign anbietet.

Seit September fanden sieben Arbeitstreffen der Projektpartner*innen aus Wörgl und Bayern sowie fünf öffentliche Veranstaltungen statt.  Darunter der Film- und  Diskussionabend zum Wörgler Freigeld in Rosenheim, die Präsentation der Regionalwährung „Der Chiemgauer“ in Wörgl und ein Vortrag vom Währungsexperten Dr. Leander Bindewald boten Interessierten den Raum, sich über das Thema Geld, sektorale und regionale Komplementärwährungen und neue, online-basierte Währungen zu informieren und Gedanken zu machen, wie diese mit regionalen Strukturen verknüpft werden können.

Die Zusammenarbeit geht weiter

Bei der Ergebnispräsentation begrüßten Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner und Euregio-Geschäftsführerin Esther Jennings die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Währungsdesign, um Komplementärwährungen zur Stärkung der Region einzuführen. Bei der Ergebnispräsentation, moderiert von Projektleiterin Joanna Egger, stellten auch Vertreter von Initiativen ihre Währungen kurz vor und zeigten damit praktische Anwendungsgebiete wie bei I-Motion im Jugendbereich oder beim „Realo“ in der solidarischen Landwirtschaft im Chiemgau. Auch international boomen Komplementärwährungen. Der Sardex stärkt die Regionalwirtschaft auf Sardinien, in Barcelona werden mit Ökostrom gedeckte Regionalwährungen bei sozialen Unterstützungsleistungen eingesetzt und in Brüssel animieren Gutscheine Kinder, mit dem Rad in die Schule zu fahren. Für Schlagzeilen sorgen Konzern-Ankündigungen, eigene Währungen wie die Libra einzuführen.

„Die Frage ist nicht, ob parallele Geldsysteme entstehen, sondern wer die Regel bestimmt. Wir sollten das nicht den Konzernen überlassen“, erklärte Stefan Schütz vom Chiemgauer. Heinz Hafner vom Unterguggenberger Institut wies auf das Regionalwährungsprojekt im Hudson Valley in den USA unter Hochschul-Einbindung hin. „Es gibt heute eine Vielfalt von Systemen – die Notwendigkeit von Bildung und Forschung ist nötiger denn je“, stellte Chiemgauer-Gründer Christian Gelleri fest. Was es in Japan schon gibt, im deutschsprachigen Raum allerdings nicht: „Schaffen wir das hier oder lassen wir die Lücke frei?“

Die Zusammenarbeit wird über das abgeschlossene Interreg-Kleinprojekt fortgesetzt, wobei das Ziel, die Errichtung des Kompetenzzentrums für Währungsdesign weiter verfolgt wird. Zu den konkreten nächsten Schritten zählt im Herbst der Besuch einer Wörgler Delegation bei der Aufführung des Theaterstückes „Das Wunder von Wörgl“ in Trostberg und Christian Gelleri vom Chiemgauer  wird das Klimabonus-Projekt in Wörgl vorstellen. Seit Anfang Juli 2019 arbeiten Vertreter des Chiemgauer e.V. am Aufbau eines regionalen Gutscheinsystems zur Förderung des Klimaschutzes aktiv mit.

Die Präsentationsfolien als pdf – hier zum Download: Abschlusspräsentation_Interreg_Projekt_25.Juni2020

Abschluss des Interreg-Kleinprojektes Gemeinsam grenzüberschreitend Geld und Gesellschaft gestalten. Foto: Unterguggenberger Institut/Veronika Spielbichler
Die Zusammenarbeit geht weiter – darüber sind sich die TeilnehmerInnen des Interreg-Kleinprojektes „Gemeinsam grenzüberschreitend Geld & Gesellschaft gestalten“ einig. Bei der Abschluss-Präsentation hinten von links Projektbetreuerin Joanna Egger und Klaus Ritzer von Komm!unity, GR Christian Huter, Erwin Kiefer vom „Realo“, Wörgls Sozialreferent GR Christian Kovacevic, Bürgermeisterin Hedi Wechner, Jutta Seethaler und Veronika Spielbichler vom Unterguggenberger Institut, vorne v.l. Christian Gelleri und Stefan Schütz vom Chiemgauer und Heinz Hafner vom Unterguggenberger Institut.

Text: Veronika Spielbichler

Bildnachweis: Unterguggenberger Institut

Im Rahmen der Abschlusspräsentation wurden die TeilnehmerInnen eingeladen, mittels Mentimeter-Umfrage am Handy Fragen zu beantworten – hier die Ergebnisse:

Abschluss des Interreg-Kleinprojektes Gemeinsam grenzüberschreitend Geld und Gesellschaft gestalten. Foto: Unterguggenberger Institut/Veronika Spielbichler
Mentimeter-Umfrage unter den TeilnehmerInnen der Projekt-Abschluss-Veranstaltung.
Abschluss des Interreg-Kleinprojektes Gemeinsam grenzüberschreitend Geld und Gesellschaft gestalten. Foto: Unterguggenberger Institut/Veronika Spielbichler
Mentimeter-Umfrage
Abschluss des Interreg-Kleinprojektes Gemeinsam grenzüberschreitend Geld und Gesellschaft gestalten. Foto: Unterguggenberger Institut/Veronika Spielbichler
Mentimeter Umfrage

Argumente der Projektpartner zum inhaltlichen Verständnis:

WAS HABEN DAS THEMA „WÄHRUNGSDESIGN“ UND REGIONALE ENTWICKLUNG MITEINANDER ZU TUN? WAS KÖNNEN NEUE WÄHRUNGSSYSTEME POSITIV AUF DIE ENTWICKLUNG EINER REGION BEITRAGEN?

 

Stärken den sozialen Zusammenhalt: Vom ICH (mein Vorteil, billiger Preis, Rabatt…) zum WIR (soziales Gewebe, Kulturträger, Vereine und Ehrenamt…)

Stärkung der direkten Kommunikation mit Menschen und Wirtschaftstreibenden in der jeweiligen Region.

Unterstützt lokale Vereine und Initiativen (Bsp. Chiemgauer – 3%)

klima- und ressourcenfreundlich durch Förderung regionaler Wertschöpfungsketten, durch Vermeidung langer Transportwege und damit Reduktion der CO2-Emissionen

 

Energiegedeckter Regionalwährung kann den Umstieg von fossiler Energie auf erneuerbare Energieträger beschleunigen.

 

Stärkung der regionalen Wirtschaft anstatt Unterstützung von multinationalen Konzernen,

schafft Arbeitsplätze in der Region, erhält kleine regionale Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe und kurbelt die Produktion vor Ort an

 

Komplementärwährungen stärken faire Handels- und Produktionsbedingungen

 

Stärkt regionsspezifische Stärkefelder

 

Neue, digitale Währungen sind als einfache Apps benutzerfreundlich und stärken digitale Kompetenzen

Blockchain, Kryptowährungen als neue Gestaltungsmöglichkeiten zB für soziale Projekte

 

Fördert Demokratie und Mitbestimmung der BürgerInnen, was mit ihrem Geld in der Region passieren soll

 

Fördert die Auseinandersetzung mit gemeinsamen „Werten“ und schafft kulturelle, gemeinnützige Werte, die die BürgerInnen selbst wollen

 

Geld als „Übereinkunft“, gemeinschaftlich vereinbartes Tauschmedium

Unser aktuelles Geldsystem schafft Strukturen, die Geld vom ländlichen Raum abziehen und geht die Ballungszentren: Komplementärstrukturen schafft Rahmenbedingungen, damit Geld im ländlichen Raum bleibt
Komplementärwährungen sind demokratisches Geld (FairCoin), man erweitert den Handlungsspielraum jedes Einzelnen in den Regionen, um nach ethischen Kriterien zu investieren
Aktuelles Problem: Gemeinden haben wenig Geld, Komplementärwährungen erhöhen den Handlungsspielraum durch Erweiterung des Budgets
Fördert die Bewusstseinsbildung über Wirkungen von Geldsystemen
„lernende Region“, auch auf diesem Sektor. Schärfen des Blickes und Bewusstseinsbildung für regionale und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe
Macht Regionen resilienter bei Krisen, weil bei einer Vielfalt an Tausch- und Transaktionssystemen die Abhängigkeit von einer Währung geringer ist.
Bewertung von Arbeit – Geschlechtergerechtigkeit, Annerkennungsstrukturen für derzeit gesellschaftlich nicht anerkannte Tätigkeiten/Arbeit, Trennung von klassischer Erwerbsarbeit und Pflegearbeit
Zusätzliche Wertschätzung/Belohnungssystem, der Euro schafft das nicht
12. Verhindert Spekulation und den Kapitalabfluss aus einer Region