Bis zum letzten Tropfen – unser Umgang mit Wasser

Wasser zählt zu unseren Lebensgrundlagen. Wie damit bei der Energiegewinnung in Tirol umgegangen wird, war am 19. September 2023 Thema beim Film- und Diskussionsabend „Bis zum letzten Tropfen“ auf Einladung des Unterguggenberger Institutes im Theatron im Komma Wörgl. Aufgrund des großen Publikumsinteresses widmen wir am 24.10.2023 nochmals einen Abend dem Themenschwerpunkt Wasser – diesmal mit Fokus auf unser Trinkwasser.

Nach dem Dokumentarfilm über Kraftwerksbaupläne im Kaunertal diskutierte am 19.9.2023 Filmautor Harry Putz und Bernhard Steidl von wet mit dem interessierten Publikum über ökologische Auswirkungen und Alternativen.

Der Dokumentarfilm „Bis zum letzten Tropfen“ begeisterte mit großartigen Naturaufnahmen und ließ mit Experten-Stellungnahmen aufhorchen, die das 1,4 Millarden-schwere Ausbauprojekt des Kaunertal-Kraftwerkes der Tiwag vor allem aus ökologischen Gründen ablehnen. Landesumweltanwalt Michael Reischer befürchtet „die größte Moorzerstörung Mitteleuropas“, Gewässerökologen sehen ganz klar negative Auswirkungen durch den geplanten Zusatzspeicher im bislang unberührten Platzertal, wobei vor allem der Speicherablass ohne Schwallausgleich in den Inn als deutliche Verschlechterung gesehen wird. In Tirol bestanden 2022 bereits über 2.000 Wasserkraftanlagen. Statt an neue Stauseen zu denken, solle man Energiesparen und bestehende Kraftwerke optimieren. Wie das gelingt, zeige das Beispiel der Illwerke in Vorarlberg, die einen Untertage-Speichersee für das Pumpkraftwerk errichteten.

„Das Projekt Kaunertal wurde im Jänner 2023 neu eingereicht“, berichtete Filmemacher Harry Putz, der vor acht Jahren auf die Ausbauproblematik im Kaunertal stieß. Der ehemalige Profi-Snowboarder begann, sich in die Materie einzuarbeiten und fasste den Entschluss, zur Bevölkerungsinfo den Dokumentarfilm mit Stimmen zahlreicher ExpertInnen anzufertigen und ihn in den betroffenen Gemeinden zu zeigen.

Die Staumauer im Platzertal, das ins Ötztal entwässert, mit Ableitung ins Kaunertal, gefällt weder den Ötztaler Touristikern, noch den betroffenen Bauern oder Bernhard Steidl, der seine Kajakschule schließen müsste und dafür in ganz Österreich keinen alternativen Standort kennt. Er kommt beruflich aus der Elektrotechnik, kennt alle Flüsse und Kraftwerke Österreichs und meint: „Diese Tiwagpläne gefährden den Kajaksport in Tirol.“

Viele Publikumsfragen

„Wie können Alternativen aussehen? Pumpkraftwerke sind ja die Batterie für ganz Europa“, wollte ein Wörgler Hochwasser-Geschädigter wissen, der in Speicherseen auch Hochwasserschutz-Einrichtungen sieht. Da die Stromerzeugung durch steigende Anteile von Wind- und Sonnenenergie überregional stark schwanke, sei aus gesamt-europäischer Sicht der Ausbau von Pumpspeicher-Kraftwerken auch sinnvoll. Allerdings  sollten dafür zunächst bestehende Kraftwerksketten entsprechend ausgestattet werden, meinte Steidl und zeigte auf, dass „es auch fürs Kaunertal eine Alternative zum Aufstauen des Platzertales  in Form eines kleineren, zusätzlichen Stausees gibt“. Dieser könnte mit den bestehenden Ableitungen gefüllt werden, damit würde ein in sich geschlossenes System entstehen – ohne Sunk und Schwall in den flussabwärts liegenden Regionen.

Was die Funktion von Speicherseen für den Hochwasserschutz angeht, sieht Steidl das auch kritisch: „Bei Hochwasser werden die Schleusen geöffnet, um das Geschiebe abzutransportieren. Über Jahre führt das zu Anhäufungen im Flussbett, das Wasser ufert aus.“ Er ist überzeugt, dass der gestörte Geschiebehaushalt sich negativ auf den Hochwasserschutz auswirkt. „Bei den aktuellen Hochwasserereignissen heuer passierten den Inn 1.500 Kubikmeter pro Sekunde. Das sind mehrere Millionen Kubikmeter in der Stunde. Wo haben wir noch Platz für so viele Talspeicher?“, so Steidl.

„Die Tiwag erzeugt genug Strom für Tirol. Wozu also noch mehr?“ lautete eine Frage und „Die Tiwag gehört doch uns allen. Warum also nicht eine Volksabstimmung machen?“ ein anderes Statement. Derzeit werden in Tirol 98 % Strom mit Wasserkraft produziert, nur 1,5 % mit Solaranlagen. Als Alternative könne die Sonnenenergie-Nutzung mit sonst in ökologisch kritische Großprojekte investierten Mitteln  enorm vorangetrieben werden.

Für eine generelle Verbesserung des Wassermanagements in Tirol spricht sich Bernhard Steidl aus, der sich fragt, wie sich die Klimawandel-bedingte Gletscherschmelze auf die Rentabilität solcher Großprojekte wie im Kaunertal auswirkt. Statt Schnee kommt Regen, Starkregen-Ereignisse und Trockenperioden nehmen zu: „Die Tage mit Hochwasser werden sich häufen. Ist die Wasserkraft dann noch rentabel?“ Selbst bei Wasserkraft-Befürwortern wie Jürgen Neubart würde das Kaunertal-Projekt durchfallen.

Durch das Abschmelzen der Gletscher, das bis 2050 erwartet wird, ändere sich das Abflussverhalten, ist auch Harry Putz überzeugt und wartete zum Schluss der angeregten Diskussion noch mit „good news“ in Form von neuer Technologie auf: „Im Bayern wird gerade ein Testkraftwerk zur Stromgewinnung mit Tiefengeothermie errichtet. Dabei wird 5 bis 7 km in die Tiefe gebohrt. Das eingeleitete Wasser wird bis zu 190 Grad C heiß. Damit wird Fernwärme und Strom erzeugt. Es kostet 200 Millionen Euro und versorgt 50.000 Haushalte. Solche Kraftwerke sind regional überall möglich.“

Filmplakat „Bis zum letzten Tropfen“.
Der investigative Fernsehfilm “Bis zum letzten Tropfen” wurde am 24.10.2023 im Theatron im Komma Wörgl gezeigt. Foto: Filmplakat „Bis zum letzten Tropfen“.

Unser Trinkwasser – Aussichten und Einsichten

Film und anschließendes Expertengespräch mit Dr. Wolfgang Gurgiser

Rund 10.800 Quellen sprudeln in Tirol für die Trinkwasserversorgung, unser Bundesland gilt als eines der „Wasserschlösser Europas“. Schon jetzt bedingt der Klimawandel Wetterextreme und  Dürreperioden. Wie wird er sich auf die Zukunft unserer Trinkwasserversorgung auswirken? Am 24. Oktober 2023 lud das Unterguggenberger Institut im Theatron im Komm Wörgl zum Filmabend mit Vortrag und Diskussion, bei dem Dr. Wolfgang Gurgiser von der Universität Innsbruck Ein- und Ausblicke in die Tiroler Wassersituation gab.

Wer hat das Recht auf Trinkwasser? Was, wenn große Konzerne sich den Zugriff auf Wasser kaufen und es damit „privatisiert“ wird? Dieses Szenario schildert der dokumentarisch recherchierte Spielfilm „Bis zum letzten Tropfen“ mit Sebastian Bezzel als Bürgermeister, der zur Arbeitsplatzbeschaffung in seiner Gemeinde einem weltweit tätigen Wasserkonzern Zugriff aufs Tiefengrundwasser gewährt und dafür Protest erntet, angeführt von seiner eigenen Tochter. Der 2019 produzierte Film zu Auswirkungen des Klimawandels mit langen Trockenperioden spielt in Deutschland, wo sich die Wassersituation in einigen Regionen bereits zuspitzt, und regt zum Umdenken an.

„Tirol ist in der glücklichen Lage, dass die Berge Wolken abregnen lassen“, eröffnete der Gebirgsforscher Dr. Wolfgang Gurgiser sein Statement. Der Wasserkreislauf im alpinen Raum habe zudem die Besonderheit, noch über zahlreiche Wasserspeicher zu verfügen – Gletscher, Schnee, Gesteinskörper, Feuchtgebiete, Seen und Flüsse. Die Gletscher werden allerdings verschwinden – je nach Erwärmungs-Szenario sogar vollständig, etwa die Hälfte davon in den nächsten 20 Jahren.

Die Entwicklung der Niederschläge zeige, dass seit 1990 mit wenigen Ausnahmen überdurchschnittlich viel Niederschlag in Tirol verzeichnet wurde. Diese Zunahme geht mit starken Schwankungen einher. Aufgrund der höheren Temperaturen steigt auch die Verdunstung. „Die Wasserverfügbarkeit in der Vegetationsperiode schwankt stärker. Das bedeutet, dass der Bedarf für Bewässerung steigt“, so Gurgiser.

Aufgrund der Niederschlagsmenge  sei genug Wasser vorhanden, was in anderen Regionen wie etwa im Voralpenland schon schwieriger sei. Begünstigt ist Tirol durch die Speicherfähigkeit der Berge, wie Gurgiser am Beispiel einer Quelle am Achensee schilderte. Trotz Trockenperioden ist dort die Quellschüttung konstant. Auch in Tirol gäbe es allerdings regional Probleme, etwa in Trockengebieten im Tiroler Oberland. Punktuell gäbe es auch andernorts Herausforderungen. Gurgiser nennt da Almen in den Kitzbüheler Alpen. Was die Trinkwasserversorgung generell betrifft, „machen Zusammenschlüsse von Gemeinden Sinn“.  Fakt sei, dass „der Klimawandel natürliche Wasserspeicher verringert und im Sommer weniger Wasser zur Verfügung steht.“

Rechtlich sei das öffentliche Wasserrecht in Österreich sehr gut abgesichert, seit 2019 auch in der Verfassung verankert: „Die öffentliche Wasserversorgung ist in den Verfassungsrang erhoben, wodurch Österreich eine internationale Vorreiterrolle übernimmt“, so Gurgiser. Ein Ausverkauf von Wasser sei mit dem gesetzlich verankerten Schutz nicht in Einklang zu bringen. „Besonders hervorzuheben ist dabei die Verpflichtung, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse des Wohls und der Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu behalten“, so Gurgiser.

„Wasser zu nützen heißt allerdings auch, Abwasser zu reinigen und die Wasserqualität zu halten“, mahnt Gurgiser ein. Angesichts der rasanten Gletscherschmelze hatte Gurgiser abschließend noch einen Rat ans Publikum: „Die Gletscher anschauen gehen!“

In der Publikumsdiskussion kamen Themen wie Beeinträchtigung des Grundwassers durch Überdüngung oder Mülldeponie-Altlasten zur Sprache. Die behördliche Überwachung der Wasserqualität in Tirol sei auf sehr hohem Niveau. Tirols Wasserreichtum solle aber nicht zu sorglosem Umgang verleiten. Informationen zur Tiroler Wassersituation liefert u.a. online der Tiroler Wasseratlas, hier der Link: https://www.lebensraum.tirol/wp-content/uploads/2022/06/lrt_wasseratlas_2022_doppelseiten_FIN.pdf

Text: Veronika Spielbichler