15 Jahre Chiemgauer - Vernetzungstreffen Regiogeld-Verband und Jubiläumsfeier am 3.3.2018. Foto: Unterguggenberger Institut

15 Jahre Chiemgauer: Mutmacher und Hoffnungsträger

Vor 15 Jahren als Schülerprojekt an der Freien Waldorfschule in Prien am Chiemsee gestartet, zählt die Regionalwährung Chiemgauer in den bayerischen Landkreisen Rosenheim und Traunstein heute zu den erfolgreichsten Regionalgeldern weltweit. Zum 15-Jahr-Jubiläum stand die Schule am 3. März 2018 wieder im Mittelpunkt – für ein Vernetzungstreffen von Regionalwährungs-Initiativen des Regiogeld-Netzwerkes sowie für die Jubiläumsfeier, zu der erstmals eine neue Filmdoku über den Chiemgauer von Regisseurin Kathrin Latsch  und Kameramann Oliver Sachs gezeigt wurde.

Die nüchternen Zahlen der Chiemgauer Statistik – jederzeit online abrufbar – erzählen längst nicht die ganze Erfolgsgeschichte. Der Jahresumsatz mit der Zweitwährung, die bereits zu drei Viertel in Form der elektronischen Abrechnung über die RegioCard in Umlauf ist, liegt zwischen 7 und 8 Millionen Euro. Der Chiemgauer wird 1:1 zum Euro von über 3.500 Verbrauchern bei 31 Ausgabestellen  erworben, derzeit sind fast 635.000 Chiemgauer in Umlauf und werden von rund 500 Unternehmen als Zahlungsmittel angenommen. Beim Rücktausch in Euro werden 5 % Rücktauschgebühr fällig, wovon 2 % zur Kostendeckung des Systems verwendet und 3 Prozent als Förderung  zur Unterstützung gemeinnütziger Projekte und Vereine ausgeschüttet werden, die die Chiemgauer-NützerInnen auswählen. Bisher wurden über 613.000 Chiemgauer  Fördergeld ausbezahlt, fast 300 Vereine machen aktiv mit.

„Der Chiemgauer ist mehr als ein Zahlungsmittel – er ist eine Form neuen Miteinanders, die das Gemeinwohl unterstützt“, stellte Christophe Levannier, Vorsitzender des Chiemgau e.V. bei der Jubiläumsfeier fest, zu der Chiemgauer-Gründer Christian Gelleri an die 80 Gäste aus nah und fern begrüßte. „Wir gehören zu den Projekten, die weltweit für Hoffnung sorgen und jeder Chiemgauer-Nutzer trägt zur Veränderung bei“, so Levannier, der als Geschäftsführer der Traunsteiner Firma Schürnbrand seit Jahren mit Begeisterung die Regionalwährung verwendet, dabei viele gute Erfahrungen  gesammelt hat aber auch feststellt: „Regiogeld-Initiativen brauchen eine hohe Frustrationstoleranz.“

Denn der Erfolg stellt sich nicht ohne fortdauernde Arbeit ein, etwa in Form von Mitgliederbetreuung, Kommunikation, Netzwerkpflege und Abwicklung des Gutschein- und elektronischen Zahlungssystems. Zum Erfolgsrezept zählen Idealismus und Ehrenamt ebenso wie  die konsequente Weiterentwicklung der Organisationsform vom Schülerprojekt zur Gründung des Trägervereins und der Sozialgenossenschaft Regios eG, die ihr Geschäftsfeld um Mikrokredite erweitert hat und sich auch als Dienstleister für andere Regio-Initiativen sieht.

Als Gratulanten zum 15-Jahr-Jubiläum stellten sich die Priener Bürgermeister Hans-Jürgen Schuster und Alfred Schelhas ein. Schuster gratulierte Chiemgauer-Gründer Christian Gelleri, der als Lehrer mit Schülerinnen der Waldorfschule 2003 die Regionalwährung startete und dankte der gesamten Initiative. „Viel wurde seither zur Förderung von Vereinen, der Kultur und des sozialen Miteinanders beigetragen“, so Schuster, der auch das überregionale Interesse  und die Werbewirksamkeit des Chiemgauers für die Region schätzt.

Von der Region, für die Region – und mit dem Chiemgauer kann nicht spekuliert werden. Argumente, die Chiemgauer-Partner bei der Sparkasse und bei der Volksbank überzeugt haben, bei der Führung von Chiemgauer-Konten und beim Gutschein-Umtausch mitzumachen. Nicht alle waren aber vom Chiemgauer von Anfang an überzeugt. „Sollen wir uns diese Geldmaschine an die Schule holen? Da hat es anfangs schon Bedenken gegeben“,  erinnert sich Waldorfschul-Geschäftsführer Dr. Albert Pröbstl und ist mittlerweile glücklich mit dem Chiemgauer und der daraus resultierenden Unterstützung von Schulaktivitäten wie dem Turnhallen-Neubau. Die Schule erhielt aus dem Chiemgauer-Fördertopf bereits rund 44.000 Chiemgauer.

Ein selbst verfasstes Geburtstags-Ständchen für den Chiemgauer als Verständnisbauer, der Regionalität erhält und Enkeltauglichkeit enthält – als „Pilotprojekt für eine gerechtere Wirtschaftswelt“ trug Stefan Schütz vor und erntete dafür Beifall.  Manfred Mensch Mayer vom Vorstand des Vereines Hallertauer Regional, der 2019 das 15jährige Bestehen der Regionalwährung Hallertauer feiert, brachte ebenfalls musikalische und künstlerische Geburtstagsgeschenke für den Chiemgauer mit.

Höhepunkt der 15-Jahr-Feier war die Präsentation der Erstfassung der Chiemgauer-Doku von Kathrin Latsch und Oliver Sachs, die nach weiterer Bearbeitung als Langversion veröffentlicht werden soll. Zwei Jahre lang begleiteten die Filmemacher die Chiemgauer-Akteure mit der Kamera, dokumentierten die Entstehungsgeschichte und lassen auch noch einmal Miriam Fochler vom damaligen Schülerteam zu Wort kommen. Als Studentin der Wirtschaftswissenschaft befasste sie sich mit der Frage nach der Effizienz des Regionalgeldes und gewann die Einsicht, dass es nicht nur um monetäre Aspekte geht, sondern auch „um den Mehrwert – da entstanden Freundschaften und ein Miteinander“.

„Das Geldsystem löst nicht alle Probleme, aber ohne dessen Änderung ist in vielen Bereichen Nachhaltigkeit nicht zu erreichen“, ist Christian Gelleri überzeugt. Der Chiemgauer passt damit zum Trend des wachsenden Interesses an Regionalität. Als alltagstaugliches Zahlungsmittel soll es ihn künftig weiterhin wahlweise als Gutschein und elektronischen Chiemgauer geben, wobei hier der Trend zur bargeldlosen Zahlung geht, welche beim Chiemgauer zusätzlich zur RegioCard auch schon mit dem Handy möglich ist.

Nach der Stärkung am Buffet bei Kaffee, Kuchen und belegten Broten erwarteten die Jubiläumsgäste Workshops unter dem Motto „Chiemgauer von A-Z“, für die Praxis bei Unternehmen und Vereinen und Hanjo Achatzi, seit 10 Jahren im Aufsichtsrat der Regios e.G. fand große Publikumsresonanz mit der Einladung, gemeinsam an einer „Sozialen Skulptur“ unter dem Motto „Das Geld neu denken“ zu arbeiten. Aus der Darstellung von Welt & Geld heute sollte im Prozess erarbeitet werden, wie wir künftig leben wollen und welche Rolle das Geld dabei spielen wird. So wurde klar, dass Modelle des Künftigen auf anderen Werten und Regeln basieren sollen.